Artist-in-Residence Programm
AIR InSILo

2024
Am Ende des Tages befinden sich Künstler:innen oft in einer Situation der Isolation und des Mangels. Sie sind abgeschottet vom Ideenaustausch, von kreativen Zufallsbegegnungen, von Aktivitäten außerhalb des Berufs, von Ruhe und Kreativität einzig um der Kreativität willen.

Wir glauben an die Bedeutung der gemeinschaftlichen Solidarität im Allgemeinen und insbesondere im Bereich der Kunst. Wir sind besorgt über die Politik des Isolationismus und des Protektionismus, die schon vor der Pandemie in Kraft getreten ist und durch den Lockdown noch verstärkt wurde. Wir sind besorgt über die Ausbeutungstendenzen auf dem Kunstmarkt, die es nur einer kleinen Minderheit von Künstler:innen ermöglicht, einen angemessenen Lohn für ihre Arbeit zu erhalten. Wir wollen uns diesem Zerfall der Werte entgegenstellen und eine internationale Gemeinschaft von Künstler:innen mit unserer professionellen Kreativität unterstützen.
Seit 2020 bietet AIR InSILo eine andere Art von Raum: isoliert von großstädtischer Umweltverschmutzung, Verpflichtungen, Produktivität, Terminen und generischen Motivationen. Im Mittelpunkt stehen die Interessen der Gemeinschaft, was immer sie auch prägt, und die ruhige, gewissenhafte Erforschung der verborgenen Schichten eines unaufdringlichen ländlichen Raums.
Auf diese Weise möchte AIR InSILo ein sicheres Umfeld schaffen, in dem man sich von einem Burnout erholen, und den Nährboden für neue kreative Triebe schaffen kann. Darüber hinaus hat AIR InSILo ein Notfallprogramm ins Leben gerufen, um Künstler:innen, Kurator:innen und Kulturschaffende, die aufgrund von Krisen, Kriegen und politischer Verfolgung unter schwierigen Lebensumständen leiden, einzuladen, zu beherbergen und ihnen ungehinderte Kreativität zu ermöglichen.
Das Artist-in-Residence-Programm AIR InSILo ist eine unabhängige Initiative, die von der Künstlerin und Kuratorin Ksenia Yurkova und dem Künstler und Kurator Martin Breindl organisiert wird. Es befindet sich in einer ruhigen ländlichen Gegend 50 Kilometer nördlich von Wien, in Hollabrunn (Niederösterreich), nur fünf Gehminuten vom örtlichen Bahnhof entfernt.
Hollabrunn ist eine landwirtschaftlich geprägte Kleinstadt mit etwa 11.000 Einwohnern im Zentrum von Österreichs größtem Weinanbaugebiet ("Weinviertel"), 20 Kilometer südlich der Grenze zu Tschechien. AIR InSILo bietet den eingeladenen Künstler:innen Werkstätten für Arbeit mit Holz, Metall, jeglicher Form von Skulptur, Medienprojekten und/oder konzeptueller Kunstpraxis sowie Raum zum Denken und Forschen. Die Residency umfasst eine ganze Etage (70 m2) mit separatem Eingang in einem freistehenden Haus, gemeinsamen Werkstätten (60 m2), einen geräumigen Innenhof (120 m2) und einen Garten (300 m2); sie kann bis zu zwei Künstler:innen mit ihren Partner:innen oder Kindern (ab 3 Jahren) gleichzeitig aufnehmen.

Die zeitgenössische Kunstwelt drängt Künstler:innen in die Position von Privatunternehmer:innen, von absoluten Individualist:innen, die ihre eigenen Ziele verfolgen und keine Zeit haben, sich auszuruhen oder andere soziale Verbindungen zu knüpfen, die nicht mit diesen Karrierezielen übereinstimmen.

AIR InSILo ist eine von Künstler:innen geleitete unabhängige Initiative, in der Nähe von Wien in der Stadt Hollabrunn (Niederösterreich). Sie bietet Künstler:innen - entweder auf direkte Einladung oder durch die jährlichen thematischen Open Calls - Zeit und Raum für prozessorientiertes Arbeiten an medialen oder konzeptuellen Kunstprojekten. Die Residency ist mit Holz- und Metallwerkstätten ausgestattet , einem eigenen Wohnraum für jede Künstler:in, sowie Innen- und Außenräumen für einen ungestörten und konzentrierten kreativen Prozess.

ZIELE:
Da wir künstlerisches Schaffen als ein Grundbedürfnis verstehen, laden wir Künstler:innen, Kurator:innen und Forscher:innen ein, ihre Gedanken und Energie einzubringen, um sich Gedanken zu machen über die Nachhaltigkeit des Lebens des Einzelnen sowie die ethischen Herausforderungen und Grenzen der Nachhaltigkeit der künstlerischen Produktion; die künstlerische Produktion als Nicht-Ware zu betrachten; sich alternative Wirtschaftssysteme vorzustellen, um künstlerische Produktion aufrechtzuerhalten; die Grenzen des Lebens- und Arbeitsraums, der Freizeit und der Arbeitszeit zu definieren; über geeignete Open-Source-Technologien und Open-Design nachzudenken; Wege der Zusammenarbeit unzusammenhängender dezentralisierter Gemeinschaften zu finden. Wir überdenken die Umwelt für die künstlerische Produktion neu, losgelöst von den einengenden und repressiven Rahmenbedingungen des kognitiven Kapitalismus und der Warenlogik des Kunstmarktes.
  • In der Runde 2023/2024 will AIR InSILo einen Raum für die Reflexion und Selbstreflexion von Künstler:innen schaffen, die in Zeiten des Neoliberalismus arbeiten. Die Bedingungen der künstlerischen Arbeit lassen sich mit dem Begriff "Prekariat" beschreiben, d.h. eine neu gebildete Klasse, deren Kennzeichen der Mangel an Arbeitsplatzsicherheit, die ständige Suche nach einer Beschäftigung (im Schnitt bewirbt sich eine Künstler:in bei 50-70 Ausschreibungen und verbringt bis zu 300 unbezahlte Arbeitsstunden pro Jahr) und Finanzierung ist. Der Begriff der künstlerischen Kreativität wird weiterhin romantisiert, um das Streben von Künstler:innen nach Ruhm und Erfolg auszunutzen. Dies führt zu tragischen Geschichten von Selbstausbeutung, Burnout und großer Ungleichheit, da nur 1 bis 3 % der erfolgreichen Künstler mehr als 50 % der Gewinne erwirtschaften.
  • Der erste thematische Call von AIR InSILo war von den Ideen von Leopold Kohr (1909 – 1994) inspiriert, einem prominenten, aber unterschätzten österreichischen Philosophen. Sein Konzept des „Small is Beautiful“ hat das Denken vieler nachfolgender Wissenschaftler*innen beeinflusst und die Konzepte von Dezentralisierung, Lokalismus, Postentwicklungs- und Postwachstumstheorie, Bioregionalismus und das Prinzip der Nachhaltigkeit geprägt.
  • Die Runde 2022/2023 hatte zum Ziel, über den gegenwärtigen Stand der Technik nachzudenken. Die Aufgabe der Residency - ein Raum, ein Gebilde, eine künftige Gemeinschaft, die uns dazu auffordert, uns der Fragen des Konsums, der Energie, des Klimas und der Gleichberechtigung auf antikapitalistische Weise bewusst zu werden - besteht darin, ein geeignetes Umfeld zu schaffen, das das Potenzial der eingeladenen Künstler:innen maximal zur Geltung bringen kann. Aber wenn wir über Technologie sprechen, welche Strategie wählen wir dann? Wir konzentrierten uns auf das Aufeinanderprallen von zwei Ansätzen, Degrowth und Akzeleration, und stellen diese in den Mittelpunkt unserer Diskussion.

OPEN CALLS:
Der Open Call wird einmal im Jahr veröffentlicht, in der Regel im späten Frühjahr/Frühsommer. Jeder Call hat eine eigene thematische Ausrichtung und ist auf die Ziele des Residencyprogramms abgestimmt.

Einrichtung
* Separates Stockwerk:
- zwei Schlafzimmer 12 m2 und 16 m2
- Küche/ Esszimmer 16 m2
- Büroraum 14 m2
- Badezimmer 4,5 m2
* Keller:
- Lagerräume
- Werkstätten
* Scheune 50 m2
- Metall-/Holzwerkstätten mit Werkzeugen
* Leihgeräte
* Großzügiger Innenhof 100 m2
* Garten 300 m2
* Kostenlose Fahrräder
5 Gehminuten zum Bahnhof und den nächsten Geschäften
45 min Fahrt ins Zentrum von Wien.
2021
NACHHALTIGKEIT:
AIR InSILo sieht Nachhaltigkeit als eines der zentralen Motive, die in der Residencysowohl erforscht als auch gelebt werden. So konzentrierte sich der erste Open Call (2021/2022) auf die Begriffe Dezentralisierung, Lokalismus, Post-Entwicklungs-Theorie, Bioregionalismus und auf das Prinzip der Nachhaltigkeit. Der zweite Call (2022/2023) war dem Aufeinandertreffen zweier Ansätze, Degrowth und Akzeleration, gewidmet und die dritte Ausschreibung (2023/2024) drehte sich um die Prekarität und den aktuellen Stand der künstlerischen Arbeit.
Zur Infrastruktur: Das Haus nutzt Sonnenkollektoren zur Stromerzeugung, hat seinen eigenen Kompost, um organische Abfälle zu recyceln und den Garten zu düngen; es baut sein eigenes Obst und Gemüse an, strebt an, keinen Abfall zu produzieren, und verbrennt Holz und Papier zum Heizen des Hauses. Wir trennen die Ökologie des täglichen Lebens nicht von der Ökologie der künstlerischen Produktion, weshalb wir alle Materialien für die Kunstproduktion wiederverwenden und recyceln.
Tilda Publishing