Der Staub von vier Uhr morgens; ein Projekt von Emirhan Akin
09.10-16.11.2023
"Reinigungskräfte sind unsichtbar (auch im Sinne von Wertschätzung), und das Endprodukt ihrer Arbeit muss auch unsichtbar sein. Nach einem Putztag teile ich meine Unsichtbarkeit mit dem Abfall der kreativen Köpfe, entweder im Mülleimer oder in der Toilette. "Das Unangenehme muss hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Lebens verlegt werden", schreibt Norbert Elias in Der Prozess der Zivilisation. Als ehemals Unzivilisierter möchte ich damit beginnen, die undurchsichtigen strukturellen Dynamiken innerhalb des europäischen Kontextes aufzudecken, um ein tieferes Verständnis der sozialen, ökonomischen und politischen Interaktionen hinter den Kulissen dieser (meiner) Immigrantenarbeit zu erlangen".
Arbeit, Erschöpfung und der Schrägstrich zwischen Prekariat/Künstler - indem Emirhan Akin diese Begriffe neu denkt, gräbt er das Wissen aus, das er durch seinen Job als Reinigungskraft in seinen Körper eingeschrieben und gespeichert hat. Einerseits benötigt er den Job um seine künstlerische Praxis aufrechterhalten zu können, andererseits hilft er ihm, Parallelen zwischen seinen Long-Durational Performances (also Kunst) und dem Wort Reinigung (und seinen politischen, historischen und gesellschaftlichen Konnotationen) ziehen. Um diese Arbeit, die üblicherweise Migrant:innen ausüben, und ihre Ökonomie der Erschöpfung, die sich im Muskelgedächtnis ansammelt zu sezieren, plant er, sich in Bezug auf Material und Medium auf die Unsichtbarkeit (sowohl der Reinigungskraft selbst, als auch des Endprodukts) zu konzentrieren. Aus diesem Grund ist er an Sound interessiert, seien es Field-Recordings von Nicht-Räumen (Bereiche, die übersehen werden, vernachlässigt sind, einen Übergangscharakter haben oder nicht für menschliche Interaktion ausgelegt sind) oder Transkriptionen von Gesprächen während einer Begegnung (mit Menschen und Nicht-Menschen).
Indem er die architektonische Herangehensweise an die Nicht-Räume der Stadt und der Residency erforscht, greift er mit Klangexperimenten in diese undefinierten Bereiche ein.
Die Anthropologin Mary Douglas vertrat in ihrem 1960 erschienenen Buch Purity and Danger die Ansicht, dass Schmutz nicht wegen seiner inhärenten Unreinheit als "fehl am Platz" empfunden wird, sondern weil seine Existenz mit den Mustern und Annahmen, die der bestehenden sozialen Ordnung zugrunde liegen, unvereinbar ist. Bei seinen Recherchen zum Thema "Reinigung" geht der Künstler davon aus, dass dieser ewige Ouroboros der Einwanderungsmuster zwangsläufig unsichtbar bleibt. Um Zugang zu archivarischem Wissen über vergangene (und gegenwärtige) Einwanderungspolitik zu erhalten, plant er, alle möglichen Institutionen (mit Archiven) in der Stadt Hollabrunn zu besuchen.