The Big Other MetaBrother
Das Projekt untersucht, wie die ständige Überwachung zu einem normalen Bestandteil des täglichen Lebens geworden ist, und vergleicht es mit einem modernen digitalen Panoptikum. Diese Idee geht auf Jeremy Benthams Panoptikum zurück, das später von Michel Foucault weiterentwickelt wurde und ein Gefängnis beschrieb, in dem die Menschen immer beobachtet werden konnten, was sie dazu brachte, sich selbst zu kontrollieren, auch wenn niemand zusah. Heute brauchen wir keine Wächter oder Behörden mehr, die über uns wachen. Wir haben das System selbst aufgebaut und nehmen nun an unserer eigenen Überwachung teil, oft ohne es überhaupt zu merken.
Dieser Wandel ist eng mit dem Überwachungskapitalismus verbunden, einem Begriff, der 2018 von Shoshana Zuboff geprägt wurde. Er beschreibt, wie die größten Unternehmen von heute Geld damit verdienen, indem sie riesige Mengen an persönlichen Daten sammeln und nutzen. Dabei geht es nicht nur darum, zu beobachten, was wir online tun. Es geht darum, vorherzusagen, was wir als Nächstes tun werden, und uns zu bestimmten Handlungen zu zwingen. Die Überwachung hat sich überall ausgebreitet und ist in die Apps, Plattformen und Geräte integriert, auf die wir angewiesen sind. Sie ist so alltäglich geworden, dass es unmöglich erscheint, sich ihr zu entziehen. Jeder Klick, jede Bewegung und jedes Wort werden zu Daten, die verfolgt, gespeichert und verkauft werden können.
Wir leben heute in einer Welt, in der die staatliche Überwachung und die Datenerfassung durch Unternehmen zu einem mächtigen System verschmolzen sind. Die alten Grenzen zwischen staatlicher Kontrolle und privater Wirtschaft haben sich verwischt. Gemeinsam bilden sie ein globales Netzwerk, das unser Verhalten beobachtet, vorhersagt und gestaltet. Das Paradoxe dabei ist: Je mehr diese Systeme Kontrolle versprechen, desto chaotischer scheint die Welt zu werden. In der Vergangenheit war die Kontrolle offensichtlich - Regeln, Strafen, Disziplin. Heute ist die Kontrolle in Algorithmen versteckt, die uns im Stillen vorschlagen, was wir wollen, denken und tun sollen. Diese Systeme sind so tief in unser Leben eingewoben, dass wir ihren Einfluss oft mit unserem eigenen freien Willen verwechseln.
Es ist eine Welt, in der der globale Krieg nicht mehr nur eine Erinnerung aus den Geschichtsbüchern ist, sondern eine andauernde, sich verändernde Realität - sichtbar in wirtschaftlichen Kämpfen, Informationskriegen und technologischem Wettrüsten. Auf allen Ebenen der Gesellschaft glauben die Menschen, das Chaos zu beherrschen und die Ereignisse durch Strategie, Politik oder Innovation zu steuern.
Doch je tiefer wir in dieses System eindringen, desto offensichtlicher wird, dass niemand wirklich die Kontrolle hat. Die Instrumente, die die Welt organisieren sollen, beschleunigen stattdessen ihre Unvorhersehbarkeit. Wo im 20. Jahrhundert strenge Disziplin und sichtbare Autorität herrschten, funktioniert die Kontrolle heute über unsichtbare algorithmische Systeme, die unsere Wünsche im Stillen vorhersehen, unsere Entscheidungen lenken und unsere innere Welt formen, bevor wir uns dessen überhaupt bewusst sind.
Der Begriff "Big Brother" ist so vertraut geworden, dass er sich mittlerweile leer anfühlt, abgenutzt von jahrzehntelangem Übergebrauch. Wir haben uns daran gewöhnt, ihn zu beschwören, aber haben wir jemals wirklich verstanden, was er geworden ist? Was ist, wenn die alten Machtsymbole - autoritäre Regierungen, Oligarchen, Sicherheitsdienste - nicht mehr die wichtigsten Kräfte sind, die dieses System steuern? Was ist, wenn auch sie sich darin verirrt haben, blind wie betrunkene Matrosen taumeln und Kontrollphantasien in einer Welt nachjagen, die ihnen bereits entglitten ist? Vielleicht ist Big Brother nicht mehr nur eine bedrückende Figur, die von oben zusieht, sondern etwas viel Größeres, etwas, das die Grenzen einer einzelnen Institution überschreitet. Das digitale Panoptikum ist vielleicht nicht mehr nur ein Kontrollinstrument, sondern die Grundlage für eine neue Art von Realität - eine Form der Transzendenz, eine neue gemeinsame Existenz, die wir nicht vollständig beschreiben können, in der Überwachung nicht nur ein System ist, sondern ein Schicksal, dem wir nicht entkommen können. Hier geht es nicht nur um Macht oder Profit. Es geht um die Geburt einer neuen Ordnung des Seins, einer Ordnung, die bereits da ist, uns umgibt und sich leise neu formt.